Positive Arbeitsatmosphäre

Es wird gelötet und gesägt, gebeizt und bemalt, gebohrt, geschliffen und verspannt. Im Werkraum und in den naturwissenschaftlichen Fachräumen in der sogenannten Alten Turnhalle des Birklehofs herrscht ein emsiges Gewusel, eine Bluetoothbox versorgt die jungen Menschen mit den aktuellen Hits.

„Ich halte es für sehr wichtig, dass sie sich wohlfühlen und eine positive und inspirierende Arbeitsatmosphäre erleben“, sagt Martin Herbert Kaiser, Programmleiter für plus-MINT am Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein. Am ersten Tag geht es darum, dass sich die jungen Tüftlerinnen und Tüftler in praktischen Übungen mit der Bearbeitung von unterschiedlichen Materialien vertraut machen. Die Techniken, die sie dabei erlernen, sollen ihnen helfen, ihren eigenen Aussichtsturm zu entwickeln und als Modell zu bauen.

„Dinge ausdenken und sofort ausprobieren“

„Mir macht Spaß, dass man hier alles zur Verfügung hat, dass man einfach herumspielen und ausprobieren kann. Und man nicht Ewigkeiten im Kopf nachdenken muss, wie könnte das jetzt funktionieren, und dann noch auf Materialien warten muss. Jetzt haben wir die Sachen hier und können uns einfach Dinge ausdenken und sofort ausprobieren.“ Esther, 15 Jahre, ist begeistert von den Möglichkeiten, die ihr das Camp bietet. „Erst habe ich mit dem Löten experimentiert, jetzt probiere ich mit den Schnüren verschiedene Konstruktion aus. Ich habe auch schon Ideen, wie ich so Schnürkonstruktion für meinen Turm verwenden könnte.“

Fachgerechte Konstruktionen

Neben den handwerklichen Grundlagen wird den Schülerinnen und Schülern auch theoretisches Wissen etwa im Fach Baustatik vermittelt. Die Modelle sollen fach- und funktionsgerecht konstruiert werden, die Anforderungen sind definiert: So darf das Baufenster auf der die Grundplatte die Fläche von 15 cm x 15 cm nicht überschreiten, die Aussichtsplattform muss auf einer Höhe von 70 cm einen Kilo Sand tragen können, es dürfen nur einfache Materialien verwendet werden, die ohne den Einsatz von elektrischen Maschinen bearbeitbar sind.

Originalität, Ästhetik und Design

Felix, 15, besucht die 9. Klasse. „Zu Hause baue ich keine Modelle, Handwerkliches habe ich ein wenig über meinen Vater mitbekommen. Aber das Praktische hier, die Holzarbeiten, das Sägen, das ist für mich eher neu.“ Bald eine Stunde schon bastelt er an seiner filigranen Konstruktion: „Ich habe die Fäden zwischen den zwei Platten gespannt und sie dann gegeneinander verdreht. Das ist dann sehr stabil. Und sieht natürlich gut aus!“ Originalität, Ästhetik und Design sind wichtige Kriterien in dem Wettbewerb, weshalb es bei dem Camp zum Beispiel auch eine Ideenbörse für die Farbgestaltung gibt.

Außerschulische Herausforderung

„Wir wollen unseren plus-MINT-Schülerinnen und -Schüler ein breites Spektrum an unterschiedlichen Erfahrungen ermöglichen, in den Bereichen Mathematik und Informatik, in Naturwissenschaft und Technik, aber eben auch bei den handwerklichen Grundlagen und in gestalterischen Fragen“, erläutert Irina Küsters, Lehrerin für Mathematik, Chemie und NwT, die Inhalte des Camps. Als Leiterin des plus-MINT-Talentzentrums am Birklehof ist sie verantwortlich dafür, dass begabte Jugendliche ab der 9. Klasse im Internat eine besondere Förderung  erfahren. „Sie sind sehr wissbegierig und engagiert, weshalb wir ihnen schulische und außerschulische Herausforderungen bieten wollen. Ein solcher Wettbewerb, bei dem sie wie im Berufsleben an einem Projekt arbeiten und dabei ganz unterschiedliche Aufgabenstellungen bewältigen müssen, ist daher sehr spannend.“

Konkrete Anschauung aus der Praxis

Damit die Schülerinnen und Schüler ihr Thema auch durch konkrete Anschauung erfahren können, stand am Mittwoch eine Exkursion zu dem Eichbergturm nach Emmendingen auf dem Programm, mit 53,20 Metern Höhe der höchste frei zugängliche Aussichtsturm Deutschlands. Peter Lenz, der Bauingenieur des Turms, nahm sich persönlich Zeit und gab den Schülerinnen und Schülern spannende Einblicke in die Entstehungsgeschichte und den Aufbau des Turms und vermittelte komplexe baustatische Grundprinzipien so anschaulich und verständlich, dass die Jugendlichen diese anschließend gut auf ihre Modelle übertragen konnten. Eine Stadtrallye in Freiburg rundete den Ausflug ab. Neben der inhaltlichen Arbeit trugen Kennenlernspiele und gemeinsam gestaltete Abende dazu bei, dass die Jugendlichen sich zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammenfinden konnten.

Für Martin Kaiser würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn die beteiligten Schulen sich am 12. Juni 2020 beim Bundesfinale in Deutschen Technikmuseum in Berlin wiedersehen.

Text: Wolfgang Finke

Bilder: Martin Herbert Kaiser, Irina Küsters, Wolfgang Finke