G8 / G9 im Grundsatz

Das Ziel der Einführung eines achtjährigen allgemein bildenden Gymnasiums war die Verkürzung der Zeitdauer von der Geburt bis zum Berufseinstieg. Bedauerlicherweise wurde dabei parallel an zwei Stellschrauben gedreht:

  • Frühere Einschulungen in die Grundschule durch Verschiebung des Stichtags: So werden beispielsweise in Berlin Kinder, die bis zum 31.12. ihren 6. Geburtstag feiern, bereits im Sommer eingeschult.
  • Verkürzung der Sekundarstufe I in den Jahrgangsstufen 8-10 um 1 Jahr, also die Einführung des sogenannten G8 (achtjähriges Gymnasiums mit Abitur nach Klasse 12)

Die Folge: Eltern begleiten ihre minderjährigen Abiturienten an die Universitäten, weil diese beim Abitur noch nicht volljährig sind und sich daher weder rechtsverbindlich einschreiben noch eine Wohnung mieten können. Zieht der Erstsemesterempfang anschließend in eine Diskothek weiter, bleiben diese Kandidaten vor der Tür, soweit sie dem Türsteher keinen „Muttizettel“ vorweisen können…

Bedingt durch das Wehklagen vieler Eltern, ihre (teilweise gegen den Rat der Grundschule das Gymnasium besuchenden) Kinder hätten keine Zeit mehr für ihre Hobbys, gab es fast bundesweit („West“) eine Rolle rückwärts zu einem Gymnasium in 9 Jahren, so dass demnächst nahezu die bisherige Zweiteilung wieder erreicht wird: Kinder in den neuen Bundesländern absolvieren das Abitur wie eh und je in 8 Jahren, im Westen benötigt man 9 Jahre mit Ausnahme von Hamburg, Bremen, dem Saarland und Baden-Württemberg (Stand Sommer 2018).

Die Schülerinnen und Schüler klagten weniger, müssen aber nun mit dem Ergebnis klar kommen, dass sich die G8/G9-Landkarte permanent ändert: Haben gerade die letzten Bundesländer G8 eingeführt, sind die ersten schon fast wieder mit G9 in der Sekundarstufe II angekommen. Die Lage ist verworren wie im dreißigjährigen Krieg, wobei erschwerend hinzu kommt, dass es reine Systeme kaum gibt: Offiziell ist beispielsweise Baden-Württemberg ein G8 Land. Allerdings gibt es landesweit 44 Modellschulen, in denen in einem Schulversuch probiert wird, ob ein Abitur in 9 Jahren ebenfalls pädagogisch sinnvoll sein könnte. Zudem wurden seit dem Schuljahr 2012/13 insgesamt ca. 303 Gemeinschaftsschulen neu aufgebaut, an denen Schüler nach einem Abschluss der Sekundarstufe I nach 10 Jahren entweder im gleichen Schultyp in 3 Jahren zur Hochschulreife kommen oder auf berufliche Gymnasien wechseln können, welche ebenfalls in 3 Jahren zum Abitur führen. So kann sich jeder Schüler in Baden-Württemberg durch eine geeignete Schulwahl „G9“ selbst zusammenstellen, jedenfalls solange er nicht ein „allgemein bildendes Gymnasium G8“ besucht.

Weil all dies so kompliziert ist, hat die Kultusministerkonferenz eine Webseite eingerichtet, auf der die Links zu allen Kultusbehörden aufgeführt sind, so dass Eltern mit anstehendem Schulwechsel sich schrittweise in die Problematik einfinden können: mehr Informationen

Vorplanung / Fremdsprachen

Wichtig ist jedoch auch eine gute Planung schon in früheren Phasen: Wer weiß, dass die berufliche Karriere mit einer hohen Wahrscheinlichkeit mit einem Umzug verbunden sein wird, sollte seinen Kindern von exotischen Wahlmöglichkeiten abraten, um Übertritte zu vereinfachen.

Ein Beispiel sind Fremdsprachen:

Englisch ist nirgends ein Problem, damit kann man überall hinziehen.

Aber bereits Spanisch kann heikel werden: So besteht in Hessen die Möglichkeit, Spanisch als 2. Fremdsprache zu wählen, in Baden-Württemberg jedoch nicht. Die Folge ist, dass Gymnasiasten bei einem Umzug von Hessen nach Baden-Württemberg entweder beispielsweise Latein oder Französisch nachlernen (Beginn dort spätestens in Klasse 6, also bis zu 5 Jahre Nachlernen) oder einen Schultyp wählen müssen, in dem nur eine Fremdsprache gelernt werden muss – das kann dann nur leider kein Gymnasium mehr sein. Optimal ist daher grundsätzlich eine Standardwahl: Englisch als 1. Fremdsprache, dann Französisch oder Latein und erst danach bei Lust und Laune einen freiwilligen „Exoten“.

Fremdsprachen

Wechsel von G9 nach G8 (und von G8 nach G9)

Der Übertritt von G8 nach G9 ist unspektakulär, solange man bereit ist, ein zusätzliches Jahr Schule zu akzeptieren… Allerdings gilt: Hat man in G8 die Jahrgangsstufe 9 erfolgreich absolviert, so darf man unter gewissen Voraussetzungen (hier hilft nur noch die Einzelfallklärung) in die 11. Klasse des G9 übertreten, hat also nach abgeschlossenen 9 Jahren noch 3 Jahre vor sich, also G8 beibehalten.

Der schwierigere Fall ist die Gegenrichtung:

Zunächst zum Grundsatz: Die Stauchung der Schulzeit erfolgte in den Klassen 7-10, wobei rechtlich Klasse 10 „entfiel“ (daher auch der oben geschilderte Fall). Das bedeutet, dass man zwischen G8 und G9 in den Jahrgangsstufen 5+6 noch sehr einfach wechseln kann.

Ab Klasse 7 wird es komplizierter, zumal ein wesentlicher Unterschied der beiden System im Start der 2. Fremdsprache liegt: Beginnt die am allgemein bildenden Gymnasium verpflichtende 2. Fremdsprache im G9 erst in der Jahrgangsstufe 7, so findet dies in G8 bereits in Klasse 6 statt. Das bedeutet, dass selbst bei der oben geschilderten „geschickten Wahl“ ab Ende Klasse 6 zumindest ein Schuljahr in der zweiten Fremdsprache nachzulernen sein wird, wenn man einfach „weitermarschieren“ will.

Dies wird zusammen mit dem beschleunigten Fortschritt auch in den anderen Fächern naturgemäß später immer schwieriger, so dass der Regelfall ist, dass man mit einem Abschlusszeugnis der Jahrgangsstufe 10 (G9) in die Klasse 10 (G8) versetzt wird (ebenso 11 in 11).

Daher gibt es auch hier Ausnahmen: So kann (nicht muss!) die aufnehmende Schule beispielsweise durch Tests prüfen, ob ein Schüler nicht doch bereits genug gelernt hat, um direkt vorzurücken. Solche Angebote werden natürlich umso eher unterbreitet, je früher dieser Wechsel stattfindet. Im Zweifel also lieber im Winter zum 2. Halbjahr umziehen und eine Aufnahmeprüfung machen, als im Sommer ein ganzes Schuljahr länger zu bleiben…

Denn, dies ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage: Es sind nicht die leistungsstarken Schüler, die G8 favorisieren, sondern eher die Schwächeren oder Schüler mit Inselbegabungen: Ein Mathematik-Liebhaber, der kein Französisch kann, liebt G8, weil er die 2. Fremdsprache schneller wieder los ist. Dagegen will das hochbegabte und soziale Multitalent lieber G9, weil es tatsächlich im dichteren Stundenplan von G8 nicht genug Zeit für alle Hobbies hat (die Noten sind aber perfekt, für die Schule wird relativ gesehen nur wenig Zeit aufgewendet).

Welche Gruppe ist wohl in der Mehrheit, und welche Gruppe wird sich über die Schülervertretungen wohl stärker in die öffentlicher Diskussion einbringen? Fragen Sie also vor jedem Umzug ihr Kind, was es eigentlich besser fände: G8 oder G9 – und diskutieren Sie vielleicht einen ganz anderen Weg:

Internate

Gerade für beruflich sehr mobile Eltern können Internate eine interessante Option sein: Wer beispielsweise von seiner Frankfurter Bank (Hessen = G9) für eine stellvertretende Filialleitung nach Freiburg versetzt wird (Baden-Württemberg = G8), um als nächsten Karriereschritt nach 3 Jahren die Filialleitung in Köln zu übernehmen (Nordrhein-Westfalen = G9), der sollte, wenn anschließend ein Auslandsaufenthalt droht, sich überlegen, ob es nicht einfacher sein kann, wenn die Kinder einen festen Schulort haben (= Internat), um den herum die Karriere flexibel gestaltet werden kann. So aufregend für Expatriates exotische Schulkarrieren sein mögen („Wir als Familie in Kinshasa!“), so wenig Begeisterung lösen diese in der Nachbetrachtung aus, wenn die Kinder durch viele Umzüge (inklusive dem zwischenzeitlichen Besuch internationaler Schulen) so durcheinander sind, dass das von den Eltern am Ende doch erwartete deutsche Abitur in Gefahr gerät. Daher stellt sich die Frage, ob die in Internaten üblichen 15-18 Ferienwochen je Kalenderjahr nicht ausreichen, um den Kindern spannende Lebens- und Arbeitsorte zu zeigen, und sie ansonsten in Ruhe zusammen mit Freunden lernen zu lassen? Internate sind, auch durch Schülerinnen und Schülern aus dem Ausland, auf eine sehr mobile und weit entfernt wohnende Elternschaft eingestellt und sind, anders als die staatlichen Schulen, andauernd damit konfrontiert, neue Schüler schulrechtlich korrekt aufzunehmen und zu integrieren. Wenn jemand weiß, wie man Kinder aus allen denkbaren Schulsystemen rechtssicher und für den Leistungsstand des Kindes passend in das eigene Schulangebot überführen kann, dann die Aufnahmebüros und Schulleitungen von Internaten. Denken Sie darüber nach und stöbern Sie in unserer Internatesuche!

Jens-Arne Buttkereit