Internate können wie Familien Hausgemeinschaften bilden - nur größer

Als Mitte März die Schulen geschlossen wurden, war dies auch für viele Internatsschulen ein Schock: Von heute auf morgen musste Unterricht neu organisiert werden und dies parallel zur Klärung von Abreisen zu einem Heimatort innerhalb Deutschlands oder ein vielleicht schon gesperrtes Ausland.

Über alle Qualitätsinternate der „Die Internatevereinigung“ hinweg zeigten sich zwei Ansätze:

  1. „Wir halten das Internat offen“ Wer beispielsweise wegen Grenzschließungen bleiben muss oder anstatt in eine Stadtwohnung zu gehen mit Freunden im Internat bleiben will, kann bleiben. Und durch strenge Regulierung der Außenkontakte („Campusquarantäne“) halten wir Corona draußen
  2. Wir versorgen die Schüler, egal wo sie sich aufhalten, und geben Feedback

Dabei waren die individuellen Ansätze sehr unterschiedlich:

In Schleswig-Holstein war das Abitur bereits geschrieben: Daraufhin schickte Louisenlund die Abiturienten nach Hause, holte alle externen Schülerinnen und Schüler ins Internat und verordnete eine strenge Campusquarantäne. Nach 14 war klar: keine Corona-Infektion auf dem Gelände. Ab diesem Zeitpunkt konnte Unterricht ohne Masken und Abstand in vollem Umfang weitergehen. Nur Lehrkräfte, die nicht auf dem Gelände wohnten – die mussten Maske tragen, um alle Menschen „unter der Käseglocke“ zu schützen.

Die Schloss-Schule Kirchberg im Hohenlohischen definierte feste „Übergabestationen“ zwischen Außen- und Innenwelt, über die Unterlagen, Lebensmittel etc. von außen in das Internat und zurück gebracht wurden.

Marienau in Niedersachsen ging einen ähnlichen Weg: Es wurde zwischen den Menschen „im Internat“ (inklusive aller Lehrkräfte und Betreuer) und denen „draussen“ streng getrennt. Sobald klar war, dass es im Internat keine Infektion gab, konnten die Bewohner untereinander ohne Zusatzschutz agieren.

Die Schule Birklehof in Hinterzarten war vor dem Shut-Down voll belegt und konnte daher die Externen nicht auf das Gelände holen. Doch dort wurden insbesondere die Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz im Ausland sehr ermuntert zu bleiben – und taten dies auch. Diese Gruppe erhielt eine Campusquarantäne und konnte dann in Absprache mit den Behörden auch miteinander Sport machen – denn woher sollte die Infektion dann noch kommen?

Internate genießen Freiheit in der Auswahl der Lehrkräfte und in der pädagogischen Reaktion

Internate in freier Trägerschaft können sich Lehrkräfte aussuchen – und ein ganz wesentliches Auswahlkriterium in allen Häusern ist die Motivation der Lehrkräfte. Denn ein Internat ist auch ohne Corona keine Veranstaltung für den Vormittag – diverse Berichte von Mitarbeitern in Internaten zeigen dies, wie auch die Begeisterung, mit denen diese Pädagogen tätig sind.

Und dies galt erst Recht für die Herausforderung der Pandemie: Jetzt konnte bewiesen werden, wie gute Schule aussieht!

Wie reagierten die Kultusministerien als oberste Schulbehörden: Zunächst wurde zwar alles verboten und individuell definierte „Risikogruppen“ ins home-office geschickt. Als dann jedoch die Privatschulen anriefen und forderten, dass die Länder die Kosten dieser Lehrkräfte übernehmen müssten, denn schließlich würden die gleichen „Risikogruppen“ im Lebensmitteleinzelhandel, in Arztpraxen und der Pflege offensichtlich arbeiten dürfen, gab es rasch einen Rückzieher: Privatschulen und Internate durften in Absprache mit den Lehrkräften selbst festlegen, wer sich besser im home-office schützt und Fernunterricht anbietet und wer gerne vor Ort kommt.

Und siehe da: Das genannte Auswahlkriterium funktionierte! Auch ältere Lehrkräfte wollten endlich wieder zu ihren Schülern, erhielten von ihren Schulen Schutzmasken gestellt und unterrichten mit dem notwendigen Abstand.

Ein weitere Problem für die staatlichen Schulen sind große Klasse auf wenig Platz… Das gilt insbesondere in Internaten mit ihren oft großen Geländen nicht. So kann man im Solling in Niedersachen genauso gut Abstand halten wie im Landheim Ammersee bei München.

Und auch hinsichtlich der Feedback-Kultur waren die kleinen Klassen vorteilhaft: Ein Lehrer, der normalerweise 25 Stunden unterrichtet, kann bei 30 Schülern je Klasse niemals jedem Schüler im Fernlernunterricht Feedback auf eine Online bearbeitete Aufgabenstellung geben – das ist aus Zeitgründen vollkommen unmöglich. Sind jedoch die Klassen nur halb so groß und entfallen zudem Anrechnungsstunden für einige Arbeitsgemeinschaften, so ist diese Zeit je Schüler vorhanden und niemand geht verloren.

 

Digitalisierung auf die Schnelle

Ein weiterer Vorteil von Internaten ist ihre hohe Reaktionsgeschwindigkeit: So waren es Privatschulen und Internate, die als erste die für die Gelder des Digitalpaktes notwendigen Medienentwicklungspläne einreichten und schon seit Anfang 2020 mit den Umsetzungsarbeiten begannen. Jetzt mit noch einmal höherer Geschwindigkeit: „Digitalisierung der Schule“ ist im Moment sehr stark auch „Digitalisierung der Privatschule“.

Obwohl ganz unterschiedliche Ansätze genutzt werden – alle sind auf dem Weg wie die Beispiele aus den Zinzendorfschulen im Schwarzwald und der Grovesmühle im Harz neben vielen anderen zeigen!

Insgesamt können Internat auch unter Corona ihre stärken voll ausspielen:

  • Sehr engagierte Lehrkräfte und Pädagogen
  • Kleine Klassen in weitläufigen Geländen
  • Internats- und Hausgemeinschaften als „Familienverbund“ mit reduzierten Einschränkungen
  • Hohe Reaktionsgeschwindigkeiten sowohl hinsichtlich Anpassung der Unterrichtsplanungen als auch in der Digitalisierung

(Jens-Arne Buttkereit)