Die Internatelandschaft ist vielfältig und unübersichtlich: Schätzungen gehen von insgesamt 250 Internaten in Deutschland aus, gerechnet von kleinen Internaten mit wenigen Betten ohne eigene Schule über Internate speziell für Berufsausbildungen wie beispielsweise Hotelfachleute bis hin zu den klassischen bekannten renommierten Häusern mit bis zu 600 Internatsschülern an mehreren Standorten.

Somit stehen Eltern, die sich das erste Mal mit der Frage „Internat“ beschäftigen, vor einer zunächst unübersichtlichen Landkarte.

Schöne Fotos auf einer mehr oder weniger guten Webpgae bieten inzwischen alle Internate – doch welches Internat ist „das Richtige“?

Vier Kriterien für die Vorauswahl

Es gibt Möglichkeiten, relativ schnell zu einer überschaubaren und dennoch gut passenden Vorauswahl zu kommen: Denn zunächst müssen nur 4 Fragen beantwortet werden:

  • Welche Schulform suchen wir?
  • Wie hoch ist das monatliche Budget?
  • Welche Fremdsprachen lerne ich?
  • Wie ist die Wochenendregelung?
  1. Schulform
    Suchen Sie eine Realschule, ein Gymnasium, ein Aufbaugymnasium, eine Grundschule … – je nach Wahl fallen hier bereits 80% aller Internate heraus. Daher ist es unerlässlich, in Suchmaschinen neben dem Begriff „Internat“ oder „Internate“ die Schulform als Suchwort anzugeben. Eine Option hierfür ist übrigens auch der von uns angebotenen Internatsvergleich. Dieser ermöglicht eine Auswahl nach Schulform.(Hinweis: „Staatlich anerkannte Ersatzschulen“ können wie staatliche Schulen Abschlüsse vergeben, „genehmigte Ergänzungsschulen“ ergänzen das staatliche Angebot: Abschlüsse werden hierbei von staatlichen Prüfern und somit nicht den eigenen Lehrern abgenommen.)
    Eine Unterfrage betrifft im Gymnasium das Thema G8 oder G9 – doch diese Frage kann zunächst zurückgestellt werden. Alle Internate sind erfahren darin, Schülerinnen und Schüler aus anderen Systemen aufzunehmen: Dieses Thema ist also insbesondere im Aufnahmegespräch sehr wichtig, wird aber aufgrund der umfangreich vorhandenen Erfahrungen in der Regel individuell und gut gelöst.
     
  2. Budget
    Bei Internaten ist es wie bei Autos: Obwohl jedes Auto in der Lage ist, uns von A nach B zu bringen, gibt es sehr große Preisunterschiede. Gleiches gilt für Internate, die monatlich zwischen 250 Euro und 3.800 Euro pro Monat kosten. Die meisten deutschen Internate sind gemeinnützig, d. h. sie schütten keine Gewinne aus. Obwohl also alle Internate eine mehr oder weniger „scharze Null“ im Ergebnis  ausweisen, gibt es eine so große Preisspanne.

Wie kommt es zu so großen Preisunterschieden?

Zwischen 65% und 80% der Kosten einer Internatsschule entfallen auf das Personal – günstige Internate müssen also, um ihre schwarze Null zu erreichen, insbesondere den Personalaufwand niedrig halten.

Hierfür gibt es verschiedene Möglichkeiten, beispielsweise:

  • Sie betreiben keine eigene Schule, sondern lassen die Internatsbewohner die staatlichen Schulen im Umkreis der Unterkunft besuchen – diese Variante wird naturgemäß von fast allen staatlichen Internaten gewählt.
  • Wenn sie eine eigene Privatschule betreiben, dann achten Sie auf eher große Klassenstärken – so können in Waldorfschulen in einzelnen Fächern bis zu 38 Schülerinnen und Schüler in einem Kurs unterrichtet werden. Da jeder Schüler Gebühren entrichtet, die Lehrkraft jedoch nur pro Stunde bezahlt wird, können damit die Gebühren für Eltern attraktiver gestaltet werden.
  • Sie bezahlen Lehrkräfte nicht genauso wie im öffentlichen Dienst. Schulen in freier Trägerschaft sind nach Artikel 7 GG zwar verpflichtet, die „wirtschaftliche Stellung der Lehrkräfte“ zu sichern und Gerichtsurteile setzen als Grenze meist 80% des Gehaltes einer vergleichbaren Lehrkraft im Staatsdienst an, jedoch bezahlen eben einige Schulen/Internate Tariflohn, andere nicht. Bei einer Schule, die deutlich unterhalb des Tariflohns bezahlt, wäre zu prüfen, wieso Lehrkräfte bereit sind, für 80% des Vergleichslohns zu arbeiten, wenn es in vielen Fächern Lehrermangel gibt (positive Antworten können beispielsweise sein, dass sich Lehrkräfte besonders mit dem pädagogischen Konzept ihrer Schule identifizieren oder im ländlichen Raum wohnen und nahe an ihrem Heimatort arbeiten möchten).
  • Kirchliche Internate können häufig auf günstige Arbeitskräfte zurückgreifen: Nonnen und Mönche übernehmen wichtige Aufgaben im Internat.
  • Sie schließen das Internat von Freitag 13:00 bis Montag 07:00 ab und schicken ihre Schüler grundsätzlich über das Wochenende nach Hause. Das spart Personalkosten gegenüber einem 7-Tagebetrieb.

Hinzu kommt: Auf der Einnahmeseite erhalten Internate neben (je nach Bundesland unterschiedlichen) staatlichen Zuschüssen für den Schulbetrieb aus ganz unterschiedlichen Quellen Gelder:

  • Staatliche (Hochbegabten-)Internate wie Schulpforta, St. Afra oder Schloss Hansenberg werden auch in der Unterbringung zu einem weit überwiegenden Teil vom Bundesland finanziert, dementsprechend niedrig sind die Gebühren.
  • Kirchliche Internate erhalten oft Zuschüsse ihrer Glaubensgemeinschaft.
  • Und dann gibt es noch Spezialisten wie beispielsweise das United World College in Freiburg, welches von der Robert Bosch Stiftung gegründet und finanziert wurde.

Klar wird:

Ein Internat in freier Trägerschaft mit kleinen Klassen, welches seine Lehrer vergleichbar mit dem Staat bezahlt und diese auch im Internat einsetzt, wird wesentlich teurer sein als ein staatlich finanziertes Internat, bei dem die Schüler (kostenfreie) staatliche Schulen außerhalb des Internatsgeländes besuchen.

Alle verschiedenen Varianten und Kombinationen haben ihre Berechtigung, ihre Vor- und Nachteile – es ist jedoch wichtig, diese Unterschiede zu kennen. Grobe Richtwerte, von denen es sicherlich Ausreißer gibt, sind:

  • Staatliche Internate kosten zwischen 250 und 800 Euro im Monat
  • Kirchliche Internate kosten zwischen 1.000 und 2.200 Euro im Monat
  • Internate in freier Trägerschaft kosten ab 1.650 Euro aufwärts

 

Doch nicht immer gilt der Regelpreis!

Internate sind i. d. R. gemeinnützig.  Sie erfüllen die Anforderungen an die Gemeinnützigkeit unter anderem dadurch, dass sie Stipendien und Sozialnachlässe vergeben.

Somit sollte der Preis eine Richtschnur sein, dieser Standardpreis kann aber in vielen Fällen, insbesondere für Schüler mit guten Leistungen oder hohem Engagement, durch Stipendien oder Nachlässe reduziert werden. So vergeben einige Internate für begabte Schülerinnen und Schüler Stipendien von bis zu 95% ihres Regelbeitrags, die Mehrheit der Stipendien liegt um 50% des Regelbeitrags. Meist werden erste Informationen zu den finanziellen Möglichkeiten auf den Webseiten der Internate genannt. Zudem gibt es Situationen, bei denen das Jugendamt Leistungen übernimmt oder auch Schüler-Bafög gezahlt wird – die Internate informieren Sie über diese Sonderfälle.

Exkurs: Links zu Internaten der DIV

Spiekeroog: Hermann Lietz Schule Spiekeroog

Holzminden/Niedersachsen: Solling

Mitteldeutschland: Lietz Internatsdorf Haubinda

Schleswig-Holstein: Louisenlund

im Harz: Grovesmühle

Marburg: Steinmühle – Schule & Internat

Hessen: Lietz Internat Hohenwehrda

St. Peter Ording: Nordsee-Internat

Thüringen: Klosterschule Rossleben

bei Fulda: Lietz Internat Schloss Bieberstein

bei Schwäbisch Hall: Schloss-Schule Kirchberg

Hochschwarzwald: Birklehof

bei Lüneburg: Marienau

Schondorf: Landheim Ammersee

Schelklingen bei Ulm: Urspring

Königsfeld im Schwarzwald: Zinzendorfschulen

Schweiz: Ecole

3. Sprachangebot

Der Wechsel auf ein Internat bringt ohnehin viel Veränderung in das (soziale) Leben – es dauert mindestens eine Ferienunterbrechung, bis man so richtig im Internat angekommen ist.

Wenn möglich sollte also nicht noch gleich zu Beginn das Nachlernen einer Fremdsprache erschwerend hinzukommen: Wer nicht sprachbegabt ist, sollte also eine Schule auswählen, die genau die Sprachenfolge anbietet, die bereits gelernt wurde (eine Ausnahme ist die Aufnahme in die Kursstufe, denn zu diesem Zeitpunkt sollen gemäß den Bildungsplänen ohnehin alle Sprachen das gleiche Niveau erreicht haben).

Ein Klassiker ist hierbei das Bundesland Hessen, wo im Gymnasium Spanisch nach Englisch als 2. Fremdsprache gelernt werden kann – das ist nicht in allen Bundesländern möglich.

4. Öffnungszeiten

Wer sich für die Fragen 1 bis 3 ein wenig Zeit nimmt und vielleicht auch mit der Suchmaschine von die-internate.de im Internet recherchiert, sollte die Zahl der in Frage kommenden Internate auf 5 bis maximal 10 reduzieren können. Mit ein wenig Recherche in Zeitungsartikeln (Nutzen Sie bei google die Funktion „news/Nachrichten“ und grenzen den Zeitraum auf 2 Jahre ein) oder Auftritten in sozialen Medien wird die Zahl vermutlich auf fünf Internate reduziert.

Diese fünf Internate sollte man anrufen und sich Informationsmaterial bestellen und bei diesem Anruf auch die Frage nach den Öffnungszeiten des Internats stellen:

Internate, bei denen am Wochenenden 80% der Schüler nach Hause fahren oder die vielleicht sogar am Wochenende grundsätzlich geschlossen haben, kommen nur dann in Frage, wenn die Entfernung zum Wohnort mit öffentlichen Verkehrsmitteln unter 2 Stunden liegt. Denn während die Rückfahrt am Freitag kein Problem ist, sollte die Anreise zur Schule am Montag nicht regelmäßig den Start in die Woche vermiesen.

Internate mit einer Anfahrtszeit über 2 Stunden vom Heimatort und ohne regelmäßigen Wochenendbetrieb scheiden also aus… Internate mit Wochenendbetrieb, die jedoch weiter entfernt sind, sollten dagegen besucht werden, denn es gibt ein letztes Kriterium, von dem viele glauben, dass es relevant ist – ist es jedoch nach unserer Erfahrung nicht…

5. Lage/Ort

Viele Eltern fragen sich: „Ja und der Ort? Mein Kind soll doch jederzeit nach Hause kommen können und ich möchte es auch mal Abends besuchen!“
Die Erfahrung zeigt, dass dieses Kriterium seitens der Eltern oft überschätzt wird!

Wenn Ihr Kind selbstständig und alt genug für eine längere Abwesenheit von zu Hause ist, und sich an seiner neuen Schule wohl fühlt und dort Freunde findet, dann spielt die Entfernung zum Wohnort kaum eine Rolle. Denn während der Schulzeit wird Ihr Kind die Wochenenden bei seinen Freunden im Internat verbringen wollen, um ja keine Entwicklung im sozialen Umfeld zu verpassen –  um dann in den Ferien umso lieber nach Hause zu kommen.

Jens-Arne Buttkereit