„ „Findet heraus, was ihr wirklich wollt!“ “

Bärbel Dornier

Auswahltagung der Dornier-Stiftung am Internat Solling

Die Dornier Stiftung möchte junge Menschen fördern, die nicht nur an schulischen Leistungen interessiert sind, sondern darüberhinaus auch ihre vielfältigen anderen Talente entdecken und ausbauen wollen. Begabte Menschen sollen zu verantwortungsvollen Personen heranwachsen können und die Gesellschaft aktiv, klug und sozial gestalten. Überzeugt davon, dass man an einem Internat intensiver und individueller gefördert wird, will die Stiftung Jungen und Mädchen daher den Besuch ausgewählter Internate ermöglichen – auch wenn die eigenen finanziellen Mittel dazu nicht reichen. Eher als auf herkömmlichen Schulen bekommt man dort die Chance, den ureigenen Wünschen und Talenten auf die Spur zu kommen und diese zu entwickeln. Und Namensgeber Claude Dornier hat genau das zeit seines Lebens beherzigt: Er ist seinem inneren Kompass gefolgt, hat sich gegen Zeitgeist und Widerstände dem Flugzeugbau verschrieben und ist als Pionier in die Geschichte eingegangen.

„Denn nur wer etwas mit Leidenschaft macht und dabei authentisch ist, kann wirklich genial sein“, beendete Bärbel Dornier, Schwiegerenkelin des großen Erfinders, ihre Ansprache am ersten Abend der Tagung und überließ die Bühne dem jungen Pianisten Zhengyan, der am Flügel genau dies demonstrierte und musikalische Begeisterung zum Ausdruck brachte. Auch die Teams vom Übersetzungs-Workshop, die danach auf russisch, chinesisch und spanisch Gedichte mit ihren deutschen Übersetzungen vortrugen, hatten bei dieser Übertragung gemeinsam und mit Enthusiasmus um Worte und Sprache gerungen. Damit endete für die Schüler des Internats die Abendsprache; für die Kandidaten hingegen ging es erst richtig los.

Die erste Aufgabe bestand darin, sich der Jury und den anwesenden Gästen* anhand eines mitgebrachten persönlichen Gegenstandes in zwei Minuten vorzustellen. Da wurden Pokale, diverse Bälle und Schachfiguren präsentiert, chinesische Schuhe und Holzpferde vorgeführt, Traumfänger und Boxhandschuhe in die Höhe gereckt und geredet – von sich, dem Gegenstand, der Familie, Hoffnungen und Ängsten, Fähigkeiten und Leidenschaften. „Puh, der Anfang war gemacht, die erste Hürde genommen“, so dachten sicher die meisten. Danach begann auch für die Prüflinge der gemütliche Teil des Abends: Die Dornier-Stipendiaten, die bereits an unserer Schule leben und lernen und sich während der ganzen Auswahltagung sehr nett um die Bewerber kümmerten, begleiteten die 30 in die Teestube, wo alle noch eine ganze Weile zusammensaßen, bis es für die Mädchen in die kleine, für die Jungs in die große Turnhalle zum Übernachtungslager ging.

An den beiden folgenden Tagen standen für jeden Teilnehmer zwei Interviews und zwei Gruppenarbeiten auf dem Programm. Ziel der Einzelgespräche, die mit zwei verschiedenen Mitgliedern der Auswahlkommission stattfanden, war es, einen möglichst umfassenden Eindruck vom Bewerber zu bekommen und sowohl intellektuelle Fähigkeiten und Leistungsbereitschaft abzufragen, als auch außerschulische Interessen und soziale Kompetenz zu ermitteln.

Bei der ersten Gruppenarbeit ging es darum, unter Zuhilfenahme der mitgebrachten Gegenstände ein etwa 15 minütiges Theaterstück zu improvisieren. Das grobe Thema und die Charaktere waren vorgegeben und mussten verteilt werden, die Szenenfolge und die konkrete Ausgestaltung oblag dem kleinen Ensemble. Und obwohl alle exakt die gleichen Vorgaben hatten, wurden schließlich ganz unterschiedliche, immer aber niveauvoll-witzige Stücke aufgeführt.

In Aufgabe 2 sollte das Team aus einem Blatt Papier (jedes Team hatte eine andere Farbe) einen (oder mehrere Hubschrauber) bauen, die einem Ahornsamen ähnlich zu Boden gleiten. Bevor die Flugobjekte allerdings losfliegen durften, musste jedes Team die konstruierten Modell erklären und begründen. Der anschließende kollektive Flug der bunten Hubschrauber von der Empore der Hohen Halle beeindruckte Publikum und Akteure dann gleichermaßen. Und tatsächlich hielten sich manche Propeller deutlich länger in der Luft als andere.

Im Vordergrund standen jedoch weniger die erreichten Ergebnisse als die Art und Weise der Schülerinteraktion innerhalb der Gruppe. Die Zusammensetzung der fünf Gruppen à sechs Personen erfolgte bewusst alters- und geschlechtsgemischt. Sie wurden von je zwei oder drei Jurymitgliedern betreut, die das Geschehen aus dem Hintergrund verfolgten und sich Notizen machten.

Mit einem gemeinsamen, köstlichen Mittagessen ging die Tagung für die Bewerber am Samstag gegen 13.00 Uhr zu Ende. Und wenngleich hier eigentlich 30 junge Leute miteinander konkurriert hatten, glich die Stimmung eher einem Camp als einem Ausscheidungswettbewerb. Auch die Bewerber, die das erste Mal überhaupt Internatsluft geschnuppert hatten, konnten sich beim Abschied gut vorstellen, in den Solling, auf den Birklehof, nach Schulpforta oder St. Afra zurückzukehren. Und am Ende überwog bei allen das Gefühl, dass es einfach super war, überhaupt dabei gewesen zu sein.

Denn auch wer bei einem Stipendium nur an die finanzielle Unterstützung denkt, übersieht ganz Wesentliches. Natürlich ist diese für viele ein entscheidender und berechtigter Grund, sich zu bewerben, aber die ideelle Förderung und die Anregungen, zusätzliche Bildungschancen und ein enges Netzwerk von Stipendiaten und Förderern sind auf lange Sicht oft mindestens so viel wert wie Büchergeld, Reisekosten und Lebensunterhalt. Allein die Einladung zur und die Teilnahme an der Auswahltagung waren bereits ein Sieg und ein wichtiger Schritt auf dem Lebensweg.